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Freiburger Geographische Hefte, Heft 72

Emanuel Munishi (2013): Rural-urban Migration and Resilience of the Maasai Nomadic Pastoralist Youth in Tanzania: Case studies in Ngorongoro District, Arusha Region and Dar es Salaam City

Zusammenfassung

Die Land-Stadt-Migration als wichtige Strategie der Überlebenssicherung und als treibende Kraft der schnellen Urbanisierung gewinnt zunehmend an Bedeutung in Subsahara-Afrika, besonders in Tansania. Auch wenn die Urbanisierung Vorteile wie ein schnelleres Wirtschaftswachstum und folglich höhere Staatseinnahmen mit sich bringt, so ist sie auch mit negativen Auswirkungen wie höheren Preisen für Lebensmittel, Arbeitslosigkeit, wachsender Kriminalität, mangelndem Wohnraum und der unzureichenden Vorbereitung der Regierungen, um diese zu bekämpfen, verbunden.

Die jugendlichen Maasai (auch Massai genannt), die insbesondere seit den 1990er Jahren in großem Stil in die Städte ziehen, sind in besonderem Maße kulturell, sozial, ökonomisch und politisch marginalisiert. In diesem Zusammenhang stellen sich einige wichtige, wenn auch kontroverse Fragen: Welche im Migrationskontext auftauchenden Bedrohungen sind dabei besonders relevant für die migrierenden Jugendlichen und die lokalen Haushalte? Kommen sie mit diesen zurecht und wenn ja, wie? Wie können die Kapazitäten der Migranten und Haushalte gestärkt werden, um diese besser zu bewältigen?

Um die hier gestellten Fragen zu beantworten, wurden in dieser Arbeit die Einflüsse der Land-Stadt-Migration auf die Resilienz der Migranten in Dar es Salaam und der Haushalte im Ngorongoro District in Tansania untersucht. Besonderes Augenmerk lag dabei auf Faktoren für und Muster von Land-Stadt-Migration. Darüber hinaus wurden die Auswirkungen der Migration auf die Resilienz der Haushalte in Ngorongoro sowie die im Zusammenhang mit der Migration entstehenden Bedrohungen für die Migranten und deren Bewältigungsstrategien untersucht. Abschließend werden Empfehlungen zur Stärkung der Resilienz der Migranten gegeben.

Eine Vielzahl von Migrationstheorien beschäftigt sich mit der Erklärung von Migrationsmustern. In dieser Arbeit wurden diese durch das von (OBRIST et al. 2010) entwickelte Multi-layered social resilience framework ergänzt, um die im Zusammenhang mit der Migration entstehenden Bedrohungen für die Migranten und Haushalte und die jeweiligen Bewältigungsstrategien zu untersuchen. Dabei wurde ein qualitativer Zugang gewählt. Die Daten wurden darüber hinaus jedoch auch quantitativ ausgewertet. Die Befragten wurden teilweise zufällig, teilweise gezielt ausgewählt. In Dar es Salaam und Ngorongoro wurden ausführliche Interviews mit insgesamt 50 Migranten, 30 Haushalten und 30 Experten – darunter Offizielle aus privaten und öffentlichen Einrichtungen sowie Gemeinschaftsmitglieder verschiedener Ebenen – durchgeführt. Zusätzlich fanden fünf Gruppendiskussionen, Beobachtungen und eine Analyse von Sekundärdaten statt.

Durch diese Studie konnte gezeigt werden, dass die jugendlichen Maasai insbesondere wegen der Armut im Herkunftsgebiet nach Dar es Salaam zogen. Diese ist insbesondere bedingt durch den Rückgang des Pastoralismus und der landwirtschaftlichen Produktion, unzureichenden Zugang zu Land, Tierseuchen, Arbeitslosigkeit und Ressourcenkonflikte, die z.T. durch Klimaschwankungen mit-verursacht werden. Die Land-Stadt Migration wurde dabei durch inkonsistente Land- und Entwicklungspolitiken, soziale Netzwerke, Sehnsüchte und technologischen Fortschritt – wie verbesserte Kommunikation und Transportnetzwerke – beschleunigt.

Es konnten positive wie negative Auswirkungen der Migration auf die Resilienz der Haushalte festgestellt werden. Einerseits verbesserten Geldsendungen durch die Migranten das ökonomische (insbesondere im landwirtschaftlichen Bereich) und das soziale Kapital der Haushalte (Nahrung, Gesundheit, Bildung). Andererseits wurden die Haushalte durch die Migration neuen Bedrohungen, wie finanziellen Einschränkungen, fehlender Arbeitskraft und Ernährungsunsicherheit, ausgesetzt. Die Haushaltsmitglieder bewältigten diese durch informelle Netzwerke (soziales Kapital), zusätzliche Arbeit, Kinderarbeit und unternehmerische Tätigkeit (kulturelles Kapital) besonders auf der individuellen, der Haushalts- und Gemeinde-ebene. Nur in seltenen Fällen konnte dagegen auf Unterstützung durch die meso-, nationale und internationale Ebene zurückgegriffen werden. Die für die Migranten in Dar es Salaam relevanten Bedrohungen waren ungenügende Einkommen und Wohnsituation, Arbeitslosigkeit, Unterdrückung und Ausbeutung (z.B. geringe oder verspätete Entlohnung, willkürliche Entlassung, Stigmatisierung und Segregation) und physische Unsicherheit.

Die Migranten konnten Kapital aus verschiedenen sozialen Ebenen (social layers) nutzen und damit ‚reaktive‘ und zu einem geringeren Grad auch ‚proaktive‘ Kapazität entwickeln, um mit den beschriebenen Bedrohungen umgehen zu können.
In vielen Fällen schafften es die Migranten durch die Nutzung des kulturellen Kapitals auf der individuellen Ebene, beispielsweise des lokalen Wissens und der physischen Stärke, diese Bedrohungen zu bewältigen. Darüber hinaus machten sie sich das soziale Kapital auf Gemeinschafts- und Haushaltsebene zunutze. Hier sind insbesondere die engen Land-Stadt-Beziehungen und starke soziale Netzwerke zwischen den Migranten zu nennen, die das Teilen von Nahrung, finanziellen Mitteln, Unterkunft und Arbeiten in der Gruppe ermöglichten. In geringerem Maße griffen sie auf ökonomisches Kapital, wie Viehbestand und landwirtschaftliche Produktion, sowie auf symbolisches Kapital, wie die Maasai-Kultur und die damit verbundenen Traditionen, zurück.
Die migrierten Maasai und die im Ursprungsgebiet verbliebenen Haushalte hatten jedoch nur ein geringes Maß an formeller Qualifikationen und Ausbildung, sowie unzureichende Strukturen zur Stärkung ihrer Resilienz auf der Meso-, Regional- und Nationalebene. Daher werden die Verbesserung ihrer Ausbildungssituation, die Anpassung von Landnutzungspolitiken und eine verstärkte Sensibilisierung öffentlicher und privater Organisationen für die Probleme der Maasai als wichtige Ansätze zur Stärkung ihrer Resilienz angesehen.